Polizeiliche Verweisung aus der Wohnung mit Rückkehrverbot nach § 34a Polizeigesetz für Nordrhein-Westfalen
Am Montagmorgen der letzten Woche – ich hatte noch nicht einmal zum Kaffeetrinken angesetzt – erschien ein völlig aufgelöster Mandant. Er erzählt, dass er sich am letzten Samstag mit seiner Lebensgefährtin gestritten habe. Sie habe daraufhin die Polizei angerufen, die ihm dann verboten hatte, die gemeinsame Wohnung zu betreten. Zugleich wurde ihm verboten, innerhalb der nächsten 6 Monate seine Wohnung zu betreten. Miete zahlen darf er allerdings.
Was war genau geschehen?
Die Lebensgefährten hatten sich gestritten. Nachdem sie ihm gesagt haben soll, dass sie ihn rausschmeiße (was gar nicht geht!), soll er gesagt haben: „Ich tue Dir gleich was!“.
Daraufhin griff die Lebensgefährtin zum Telefon, rief die Polizei und behauptete, dass ihr Schläge angedroht worden seien.
Die Polizei fackelte gar nicht lange und verwies den Mandanten der Wohnung. Er durfte sich noch ein paar Sachen mitnehmen und sich dann entfernen. Die Lebensgefährtin wurde durch die Polizei darauf hingewiesen, dass ihr die Möglichkeit zustehe, im Rahmen eines sogenannten Gewaltschutzverfahrens ein zivilrechtliches Betretungsverbot zu erwirken. Daneben wird wegen Bedrohung strafrechtlich ermittelt.
Somit hat mein Mandant 4 Probleme:
Bei dem ersten Problem kann sich mein Mandant zunächst nur selbst oder durch Bekannte/Freunde helfen.
Die Probleme 2 – 4 dagegen können mit anwaltlicher Unterstützung verhältnismäßig schnell gelöst werden.
Die polizeiliche Wohnungsverweisung mit Rückkehrverbot stellt ein polizeirechtliches Instrument der Gefahrenabwehr nach § 34a Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) dar. Herzstück dieser Vorschrift ist die Feststellung der Polizei, dass für eine gefährdete Person eine gegenwärtige Gefahr droht. Das Verwaltungsgericht Münster (Urteil v. 11.12.2009, 1 K 1855/08) hat dazu ausgeführt:
„Eine Wohnungsverweisung sowie das Rückkehrverbot nach § 34a Abs. 1 S. 1 PolG NRW ist rechtmäßig, wenn der handelnde Polizist davon ausgehen konnte, dass vom Betroffenen eine gegenwärtige Leibesgefahr für die mit ihm in der Wohnung lebende Ehefrau ausgeht. Die Frage, ob in der konkreten Situation eine gegenwärtige Gefahr vorgelegen hat, unterliegt der vollen gerichtlicher Überprüfung am Maßstab einer ex-ante-Sicht. Die Grenze zur unzulässigen Gefahrenabwehr ist überschritten, wenn der handelnde Beamte nur subjektiv eine Gefahr annimmt, obwohl er bei pflichtgemäßer Beurteilung hätte erkennen müssen, dass keine Gefahr bestand (sog. Schein- oder Putativgefahr)“
Und weiter führt das Gericht aus:
„Die gegenwärtige Gefahr muss für Leib, Leben oder Freiheit einer anderen in der Wohnung lebenden Person bestehen, also besonders hochrangig zu erachtende Rechtsgüter betreffen. Der Begriff der Leibesgefahr erfordert die Gefahr einer nicht nur leichten Körperverletzung. Es kann also nicht jede körperliche Auseinandersetzung eine Maßnahme nach § 34a PolG NRW rechtfertigen, weil ansonsten die vom Gesetzgeber mit Blick auf den intensiven Grundrechtseingriff bewusst hoch gesetzte Eingriffsschwelle unbeachtet bliebe.“
In dem vorliegenden Fall ist die genannte Eingriffsschwelle nicht erreicht. Deshalb wurden aufgrund eines Eilantrags zum Verwaltungsgericht die Wohnungsverweisung und das Rückkehrverbot wieder aufgehoben.
Gegen das zivilrechtliche Gewaltschutzverfahren konnte noch am Montag – nach telefonischer Rücksprache mit dem Amtsgericht – eine sogenannte Schutzschrift eingereicht werden. Die Lebensgefährtin hatte sich tatsächlich sofort zum Amtsgericht begeben und bei der Rechtsantragsstelle eine Gewaltschutzanordnung beantragt, welche es dem Mandanten verboten hätte, mit ihr persönlich und mittels Telekommunikation, E-Mail etc. Kontakt aufzunehmen. Durch die Schutzschrift konnte der Erlass einer solchen Verbotsverfügung verhindert werden. Das Amtsgericht hat nun einen Verhandlungstermin angesetzt, in welchem die Voraussetzungen einer Gewaltschutzanordnung aufgrund des Sachvortrags beider Seiten geprüft werden.
In dem Ermittlungsverfahren habe ich zunächst Akteneinsicht beantragt. Dem Mandanten habe ich geraten, zum Vorwurf zu schweigen. Da hier eine Konstellation „Aussage gegen Aussage“ vorliegt, bestehen sehr gute Chancen, dass das Verfahren eingestellt wird.
Alles in allem ist davon auszugehen, dass der Mandant nach diesem Wochenende einen ordentlichen Schrecken bekommen hat und nur die Kosten für die Verteidigung im Strafverfahren wird tragen müssen. Die Kosten für das verwaltungsgerichtliche Verfahren muss das Land NRW tragen. Die Kosten für das zivilrechtliche Verfahren wird aller Voraussicht nach die Lebensgefährtin tragen müssen.
Dann bleibt den beiden Partnern nur noch die „Abwicklung“ der ehemaligen Partnerschaft mit der Beendigung des gemeinsamen Mietverhältnisses.